Der Zwischenfall – Kleindlfing ist überall
Wenn einer nicht zur Chorprobe geht, ist er verdächtig! Die Feststellung aus dem Jahr 1929, in dem der Roman „Der Zwischenfall“ von Joseph Maria Lutz erschienen ist, könnte auch heute noch seine Entsprechung finden. Wie kommt nun der Theaterspielkreis Pfaffenhofen dazu, ein mehr als 80 Jahre altes Stück schon in der zweiten Bearbeitung auf die Bühne zu bringen? Des Heimatdichters Geburtstag, das 40 jährige Vereinsjubiläum, die Einweihung des historischen Hauptplatzes als Freilichtbühne oder einfach nur, weil es so gnadenlos ehrlich ist?
Vierhundert Honoratioren und solche, die es werden wollen, verfolgten bei der Premiere am Freitagabend die Inszenierung von Helmut Muthig. Freilichttheater mit dem Theaterspielkreis, der aus lupenreinen Freizeitschauspielern besteht, wurde in den letzten 40 Jahren schon öfter gespielt, neu waren der Ort und der gigantische Aufwand. Vom Aufbau der Tribüne über die aufwändige Technik bis zur Werbung und Sponsorengewinnung, alles wurde in Eigenregie gestemmt. Der ganze Verein nebst Freunden und Familienmitgliedern hat monatelang ehrenamtlich für dieses grandiose Ereignis geschuftet.
Wie der Dichter zu seiner Zeit, wird diese Form der Kultur in Kleinstädten wie unserer eher belächelt, man schätzt das „Massenevent“ mit genügend Bier und Brotzeit, die Musik hat nicht zu laut zu sein. „A Kultur ham ma mia früher a ned ghabt“ - die Dialoge im Biergarten oder bei der G´sangsprob sind zeitlos. Das „bläd daher redn“ gehört nach wie vor zu den herausragenden Talenten der Kleinstädter, genauso wie die verlogene Moral der sogenannten ehrbaren Bürger und die gebückte Grundhaltung in den Beamtenstuben.
Echte Böllerschützen, eine Blaskapelle, ein Zweispänner mit Kutscher, ein fahrendes historisches Motorrad, etliche Massenszenen mit gemischten Kommentaren, ein glaubhafter Hauptdarsteller in geschmackvoll eingerichteter Metzgerei, Muthig hat den gesamten Platz vor dem historischen Rathaus samt dem Hotel Müllerbräu und den umliegenden Zufahrtswegen genutzt. Waren die Stimmen zur Pause noch etwas verhalten, was auch der eiskalten Nacht geschuldet sein mag, so war der Schlussapplaus ehrlich und langanhaltend. Wie im Stück dauert es halt in der Kleinstadt immer etwas länger, bis man aus seinen Vorurteilen hervorgekrochen kommt. Man muss jetzt Helmut Muthig und seiner Truppe nicht unbedingt die Ehrenbürgerwürde verleihen, „ des schaugt guad aus und kost nix“, aber ein zahlreiches, zahlendes Erscheinen zu den noch ausstehenden Vorstellungen ist unbedingt angebracht. „Die unwichtige Wichtigkeit der Kultur hat dezidiert zu erfolgen“, sonst heißt es noch beim Wochenmarkt-Ratsch „ma war ned guad beim Zeig“. Dem Zuagroastn sei versichert, dass er durchaus das Meiste verstehen werde, „ Kleindlfing ist praktisch überall“.
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