Zwischen Genie und Wahnsinn – „Die Physiker“ im HGW
Gleich zweimal in einem Jahr spielten die Schüler des HGWs Friedrich Dürrenmatt. Im Januar brachte der Kurs von Marius Lubnow das Stück „Der Besuch der alten Dame“ auf die Bühne nur wenige Monate und ein Musical später standen nun „Die Physiker“ auf dem Programm.
Rund 30 Minuten vor der Aufführung war der Theatersaal des Wolnzacher Gymnasiums bis auf den letzten Platz gefüllt, gleichzeitig kamen aber immer noch Zuschauer. Eiligst wurden deshalb bis kurz vor der Vorstellung noch Stühle geschleppt. „Ich verstehe unser Gymnasium als Kulturstätte in Wolnzach“, so Direktor Erich Schlotter zu Beginn. Kurz vor Ende seiner Berufslaufbahn zog er diesbezüglich auch eine recht positive Bilanz. „Heute sind mehr als 200 Gäste – nicht nur Lehrer, Eltern und Schüler, sondern auch Außenstehende – gekommen, um die dritte Theaterproduktion in diesem Jahr zu sehen“, und zeigte sich deswegen sehr erfreut.
Man durfte also gespannt sein, wie der Theaterkurs von Marius Lubnow diesen Klassiker inszenierte. Keine ganz leichte Aufgabe, denn das Stück dreht sich sich um das schwierige Spannungsfeld zwischen Ethik und Wissenschaft und vor allem auch darum, was passiert, wenn das „System aller möglichen Erfindungen“ in die falschen Hände gerät.
Der Inhalt des Stückes ist schnell erzählt: Drei brillante Physiker – Herbert Georg Beutler genannt Newton, Ernst Heinrich Ernesti, genannt Einstein und Johann Wilhelm Möbius – sind als vermeintlich geisteskranke Patienten in der psychiatrischen Klinik von Dr. Mathilde von Zahnd. Für Möbius bietet das Sanatorium die einzige Möglichkeit, die Welt vor seinen Erfindungen zu schützen, während sich Beutler und Ernesti im Fortgang des Stückes als Geheimagenten entpuppen, die hinter seiner „allgemeinen Feldtheorie“ her sind.
In einer brillant gespielten Szene fordern beide Johann Wilhelm Möbius auf, sich für ihre Seite zu entscheiden. Während Beutler dabei betont jegliche Verantwortung über die Verwendung der Erkenntnisse von sich weist und sie auf die Allgemeinheit schiebt, kann auch Ernesti keine Garantie geben, dass die Entdeckungen von Möbius zum Wohle der Menschheit eingesetzt werden. Er wälzt die Verantwortung auf die Partei ab. Letztlich wäre also eine Entscheidung zwischen den beiden, die Wahl zwischen Pest und Cholera, denn wie Möbius treffend erkannte, kann keiner versichern, dass mit seinen Erkenntnissen nicht der Untergang der Menschheit herbeigeführt werde. Was Möbius jedoch nicht ahnt, ist, dass seine Entdeckungen bereits in die „falschen Hände“ gelangt sind. Dr. Mathilde von Zahnd, die unscheinbare Ärztin, hat nicht nur heimlich alle Unterlagen kopiert, sondern im Stillen einen Konzern aufgebaut, der diese Entdeckungen vermarktet. Die Moral und die Ethik sind hier natürlich komplett außen vor. So sind die drei Physiker am Ende in ihrer „privaten Schatzkammer“ gefangen, während sie die Welt meist bietend verkauft.
Perfekt inszenierten Stefanie Kau, Johannes Ritz, Felix König und Raphael Gerl das Wechselspiel zwischen Genie und Wahnsinn und stellten dabei immer wieder die Frage nach der Moral. Am Ende wird klar: Was einmal gedacht, was einmal entdeckt wurde, das kann man nicht mehr rückgängig machen. Raphael Gerl zeichnete in seinem Schlussmonolog eine Welt in der die Wissenschaft wie einst König Salomon ihre Macht verloren hat. Sie hat die Menschheit ins Elend geführt und ihre ethische Verantwortung letztlich zu spät erkannt. Ob Dürrenmatt mit seiner Einschätzung am Ende Recht behalten wird, bleibt abzuwarten. Klar ist aber heute schon, dass die Wissenschaft nicht nur zum Wohl sondern auch zum Weh der Menschheit eingesetzt werden kann.
Die rund 200 Gäste waren nach dem Schlussakkord begeistert. Wie gekonnt die jungen Schauspieler auch dieses durchaus ernste Stück perfekt in Szene setzten und dabei auch den Humor nicht aus den Augen verloren, war beeindruckend. So erinnerte nicht nur die Kommissarin Michaela Voß und Blocher an die ARD-Serie „Tatort“ auch das Auftreten der Boxstars Henry Maske, Wladimir und Vitali Klitschko sorgten für den einen oder anderen Lacher, vor allem als diese genüsslich eine Milchschnitte verspeisten.
„Es war wirklich eine grandiose Inszenierung“, so Erich Schlotter und Christian Heller übereinstimmend, die letztlich den Schülern von Marius Lubnow für die Aufführung großen Respekt zollten. Regisseur Marius Lubnow dankte am Ende nicht nur den Schauspielern, die sich in diesem Jahr durch außerordentliches Engagement auszeichneten, sondern auch allen die im Hintergrund dafür sorgten, dass diese Aufführung wieder ein voller Erfolg wurde.
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