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Leonard Cohen - die 2 Seiten eines Poeten und Sängers

Die neue Literaturreihe "Pfaffenhofener Lesebühne" wurde am Freitagabend mit einer literarisch-musikalischen Hommage an Leonard Cohen gestartet. Der Autor Gert Heidenreich, die Sängerin und Moderatorin Laura Wachter sowie der Autor und Literaturkritiker Thomas Kraft präsentierten unter dem Titel "I’m your man" das Leben und künstlerische Schaffen des kanadischen Sänger/Songwriters, Dichters und Schriftstellers, der im September 80 Jahre alt wird.

Den Romantiker und Meister der stillen Poesie Leonard Cohen kennen alle, die seine Songs mögen. "Lover Lover Lover", "Bird on the Wire", "The Partisan", "Hallelujah", "So Long Marianne" oder "Suzanne", die Liste seiner Hits ließe sich noch fast beliebig fortsetzen. Ruhige Arrangements, anspruchsvolle Texte, interpretiert mit seiner unverkennbaren dunklen Reibeisenstimme, dabei war der Künstler immer elegant gekleidet, Nadelstreifenanzug und Weste sowie Humphrey Bogart-Hut gehörten mit zu seinen Markenzeichen. Dass Cohen als Schriftsteller angefangen hatte, bevor er - inspiriert durch Bob Dylans Auftritt beim Newport Folk Festival 1965 - zur Musik kam, ist schon weniger bekannt. Auch, dass er sich darüber hinaus als Maler und Karikaturist betätigte und seinem Schaffensdrang dabei in allen Facetten freien Lauf ließ.

Den meisten Besuchern der Veranstaltung im Pfaffenhofener Rathaussaal unbekannt dürfte der Mann hinter der öffentlichen Fassade gewesen sein, dessen Lebensweg aus einer gutbürgerlichen Familie auch durch den frühen Tod des Vaters in eine Zerrissenheit und Unruhe führte, die - ganz im Gegensatz zur Melancholie, die seine Lieder verbreiten - stark von einem Hang zu sexuellen Neigungen, Alkohol und Drogen geprägt waren. Von der Abgeschiedenheit seines Aufenthalts auf der griechischen Insel Hydra ohne Strom und in einfachsten Verhältnissen bis hin zu Exzessen und Ausfällen im New Yorker Chelsea Hotel mit seinen musikalischen Weggefährten Janis Joplin, Jimi Hendrix, Kris Kristofferson oder auch Andy Warhol wurde die Ruhelosigkeit und der Hang zur Selbstzerstörung immer offensichtlicher.

Am 21. September wird Leonard Cohen 80 Jahre alt, Grund genug für Laura Wachter, Thomas Kraft und Gert Heidenreich, diese "lebende Legende" einem interessierten Publikum aus unterschiedlichen Blickwinkeln vorzustellen. Mit ihrer klaren Stimme stellte Laura Wachter in ihrer Live-Interpretation einiger der Cohen-Klassiker den Gegenpol zur Stimme des Originals dar, das während der gesamten Vorstellung über eine Bildprojektion quasi auf das Dargebotene herabschaute und darüber wachte. Thomas Kraft zitierte aus Gedichten und Buchpassagen des Autors Leonard Cohen und zeichnete unverblümt und die Dinge beim Namen nennend den Lebensweg des Künstlers von seiner Kindheit bis hinein in die Gegenwart.

Gert Heidenreich schließlich setzte sich sozusagen in die Zeitmaschine und beamte sich zurück in die späten 60er Jahre. "Was, du kennst Cohen nicht?" fragte ihn seinerzeit eine WG-Mitbewohnerin, um unverzüglich mit spitzen Fingern die Vinylplatte aus der Schutzhülle zu holen, sie auf den Teller zu legen und vorsichtig den Saphir aufzusetzen. "Songs of Leonard Cohen", in denen er seine gescheiterten Beziehungen mit Suzanne ebenso aufarbeitete (und ihnen nachtrauerte) wie mit Marianne. "Die sexuelle Freiheit erreichte gerade das Bürgertum, der Vietnamkrieg führte zu weltweiten Protesten, der Numerus Clausus wurde in Deutschland eingeführt, Dutschke und Martin Luther King wurden ermordet. Und Leonard? Singt unverdrossen von Liebe und verabschiedet sich im Walzertakt von Marianne, weil er seine Freiheit wollte."

Die "Pfaffenhofener Lesebühne" eröffnete mit einer äußerst interessanten, weil nicht alltäglichen Veranstaltung, die den Besuchern einen Mann näher brachten, den sie zu kennen glaubten, der aber - so wurde deutlich - sehr viele unbekannte Seiten in sich trägt. Mit live vorgetragenen ebenso wie mit eingespielten Songs, projizierten Originalfotos und Filmausschnitten, Zitaten und Hintergrundinformationen sowie letztendlich auch persönlichen Erfahrungen gingen die Moderatoren aus unterschiedlichen Richtungen auf einen bemerkenswerten Künstler zu. Einzig die Atmosphäre im Rathaussaal erinnerte zeitweise mehr an einen Nachruf als an eine Hommage, das mag aber durchaus der allgemeinen Grundstimmung des Gehuldigten geschuldet sein. Thomas Kraft zitierte in diesem Zusammenhang die Textpassage, wer sich sein Leben nehmen wolle, der solle sich eine Cohen-Schallplatte auflegen, das helfe.
 

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