Der mit dem Nilpferd schwamm
(Pfaffenhofen, rt)Fotos: Raths
Als Old Shatterhand, Kara Ben Nemsi und Karl May, alle natürlich ein in einer Person vereint, gastierte am heutigen Freitagabend Andreas Wellano auf der Pfaffenhofener Winterbühne im Rathaussaal der Kreisstadt. Gut 70 Zuschauer verfolgten den sprachlichen Galopp eines zweiten Baron Münchhausen unter dem Titel "Durchgeritten. Alles von Karl May - Director’s Cut".
In seinemanspruchsvollen Solo-Programm spielte Wellano den begnadeten Geschichtenerzähler und Aufschneider "Doktor" Karl May - und dazu noch die in dessen Büchern verewigten Facetten seiner selbst. Der schriftstellernde Cowboy erzählte in schillernden Worten von packenden Reiseabenteuern im Orient und Heldentaten im Wilden Westen. May schießt sich dabei nicht nur sein eigenes belegtes Brötchen, nein, er schwimmt auch mit dem Nilpferd um die Wette.
Geschichten also, die er tatsächlich nie erlebte und die teilweise derart abwegig waren, dass er sie schlicht nie erleben konnte. Neben der melodramatischen Inszenierung der Erlegung eines Grizzlybären und zweier Bisons als Spazierkampf gab es eine weidliche Analogie zum früheren deutschen Bundesverteidigungsminister "Doktor" Karl-Theodor zu Guttenberg, welcher bekanntlich ebenso wie May den Doktortitel zu Unrecht führte. Weitere Gemeinsamkeiten der beiden waren das Abschreiben von fremden Autoren, und auch der Adelige ist unter die Schriftsteller mit seinem Buch "Vorerst gescheitert“ - von Wellano rezitiert - gegangen.
Karl May setzte alsdann den ersten Messer- und Blutfight mit Winnetou gekonnt ins Bild, entblößte dramatisch seinen Oberkörper und schlug seinen Wundenatlas mit Narben und allem, was sonst noch dazugehört, auf. Gefolgt von einem gesungenen, selbst komponierten Ave Maria in Begleitung der ebenfalls selbst gezupften (vom Tonband) Antik-Harfe und anschließendem kollektiven Trauerschweigen. Doch nicht nur da war das Publikum mitten im Geschehen.
Es durfte gemeinsam den Namen von Mays litererischen Figur Hadschi Halef Omar Ben Hadschi Abul Abbas Ibn Hadschi Dawuhd al Gossarah deklamieren. Dass diesen durchaus nicht einfach auszusprechenden Namen so manche Zuschauer aus dem Gedächtnis fehlerfrei aufsagen konnten, zeugte davon, dass hier wirkliche Karl-May-Fans im Theater saßen.
Pfaffenhofens Kulturmanager Sebastian Daschner (l.) wurde gleich zu Anfang in Karl Mays Auftritt mit eingebunden.
Mit dem "Director’s Cut" seine persönliche künstlerische Intention umsetzend, vollführte Wellano einen tollkühnen Ritt durch sämtliche 35 Reise- und Abenteuererzählungen - freilich nicht, ohne auch noch seine Bahnreise nach Pfaffenhofen ebenfalls theatralisch auszuschmücken.
Unter der Regie von Birgitta Linde gelang dem Schauspieler neben der Hommage an das Gesamtkunstwerk Karl May auch die Darstellung eines literarischen Popstars mit immer wieder den konsequenten Handlungsstrang begleitenden kabarettistisch-ironischen Exkursen in die Gegenwart. Dem Publikum gefiel das so gut, dass es am Ende gleich drei imaginäre "Vorhänge" für den Künstler gab, der gut und gerne tatsächlich auch Karl May im Leben hätte sein können.
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