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Dringlichkeitsantrag zu Windener Asylbewerberunterkunft rechtlich nicht haltbar

(Reichertshofen / Winden, rt)

 

 

Als juristisch betrachtet nicht durchführbar stellt sich eine Forderung aus den Reihen des Reichertshofener Gemeinderates zur Verhinderung einer Überbelegung der geplanten Unterkunft für Asylbewerber in Winden am Aign heraus. Die entsprechende Prüfung nahm ein Honorarprofessor für Umwelt- und Planungsrecht der Technischen Universität München vor, nachdem ihn die Gemeinde Reichertshofen vor dem Hintergrund eines entsprechenden CSU-Dringlichkeitsantrages beauftragte.

Mit der der Aufstellung eines Bebauungsplans und einer Veränderungssperre für das Windener Däuber-Grundstück - wo, wie bereits mehrfach berichtet, nach dem Willen eines Investors künftig 131 Asylbewerber untergebracht werden sollen - beziehungsweise auch die umliegenden Grundstücke, glaubte die Reichertshofener CSU-Gemeinderatsfraktion, die Zahl der in dem ehemaligen Gasthof unterzubringenden Asylbewerber nach unten drücken zu können. Unter anderem heißt es in dem Dringlichkeitsantrag, der in der kommenden Gemeinderatssitzung am 28. April behandelt werden soll: „Mit der Begleitung beider Verfahren - Aufstellung eines Bebauungsplans und Beschluss einer Veränderungssperre - wird ein im Bauplanungsrecht fachkundiger Jurist betraut.“

Dies nahm Marktbürgermeister Michael Franken (JWU) zum Anlass, von Professor Ferdinand Kuchler von der Münchner Sozietät Görg eine rechtliche Betrachtung der in dem Antrag formulierten Forderungen einzuholen. Bereits während einer kürzlich abgehaltenen Informationsveranstaltung des Landratsamtes sagte Franken, dass eine „vermutlich rechtsunsichere Veränderungssperre ein erhebliches finanzielles Haftungsrisiko für die Gemeinde beziehungsweise die Gemeinderäte persönlich“ brächte und mahnte, dass die Gemeinde keine Verhinderungs- oder Willkürplanung betreiben dürfe.

Kuchler prüfte nun, ob das mit dem Dringlichkeitsantrag angestrebte Ziel durch die Aufstellung eines Bebauungsplans und den Beschluss einer Veränderungssperre in rechtssicherer Weise erreicht werden kann. Gleich eingangs seiner Stellungnahme schreibt der Jurist: „Die Aufstellung des beabsichtigten Bebauungsplans und der Erlass der Veränderungssperre sind aus zwei Gründen rechtlich nicht zulässig. Zum einen fehlen die erforderlichen spezifisch städtebaulichen Gründe für die Aufstellung des Bebauungsplans; zum anderen besteht keine Rechtsgrundlage für die geplanten Festsetzungen.“ In der Folge findet sich eine ausführliche rechtliche Begründung dazu. Unter anderem ist in dem Schriftsatz zu lesen, dass die geforderten städtebaulichen Gründe etwa dann vorliegen würden, wenn von Asylbewerberunterkünften unzumutbare Lärmbeeinträchtigungen ausgingen. Dies sei jedoch nicht erkennbar.

Das Städtebaurecht gewährleiste keinen sogenannten „Milieuschutz“. Eventuell zu erwartende soziale Spannungen seien deshalb bauplanungsrechtlich nicht von Belang. Die Festsetzung einer Begrenzung der Bettenzahl der Gemeinschaftsunterkunft scheitere auch am Fehlen einer Festsetzungsmöglichkeit. Weder das Baugesetzbuch noch die Baunutzungsverordnung beinhalteten eine Rechtsgrundlage für die Festlegung einer derartigen Obergrenze. Kuchler weist dann auch noch darauf hin, dass der dem Dringlichkeitsantrag zugrunde liegende Bauantrag in jedem Fall und uneingeschränkt genehmigt werden müsse. „Er muss (und darf) vielmehr nur dann genehmigt werden, wenn das geplante Vorhaben im konkreten Einzelfall nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstößt. Auch insoweit gilt jedoch, dass sich die - gebotene - Rücksichtnahme nur aus städtebaulichen Gründen ergeben kann, also (ebenfalls) nicht aus Gründen des ‚Milieuschutzes‘.“

In diesem Zusammenhang ging Kuchler auf die von der Reichertshofener Gemeindeverwaltung recherchierte Entscheidung des Berliner Oberverwaltungsgerichtes ein, wonach die Nutzungsänderung eines Altenheims mit 39 Plätzen in eine Unterkunft für 71 Asylbewerber in einem "Allgemeinen Wohngebiet" die Grenze der Gebietsverträglichkeit allein durch die Erweiterung der Belegungskapazität von 39 auf 71 Personen überschritten worden sei. Das gemeindliche Einvernehmen zur 131-Betten-Unterkunft wurde auf dieser Grundlage dann bekanntlich ja nicht erteilt. Kuchler schreibt dazu: „Auch in dieser Entscheidung (des Berliner Oberlandesgerichts Anm. d. Red.) ging es nicht um die Aufstellung eines Bebauungsplans und einer Veränderungssperre. Auch in diesem Fall hat das Gericht vielmehr im konkreten Vorhaben einen Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme gesehen. Die insoweit maßgeblichen städtebaulichen Gründe hat das Gericht insbesondere in ‚besonders geräuschintensiven Lebensäußerungen‘ gesehen.“

Die von Franken befürchtete Haftung der Gemeinderäte, so sie dem CSU-Antrag folgen würden, kommentierte Kuchler ebenfalls: „Werden durch rechtswidrige Veränderungssperren oder Bebauungspläne Vorhaben verhindert, können dem betroffenen Bauherrn Entschädigungs- beziehungsweise Schadensersatzansprüche nach den Grundsätzen des enteignungsgleichen
Eingriffs und aus Amtshaftung … zustehen.“

Zusammenfassend stellt der Marktbürgermeister jetzt fest: „Die Ergebnisse und Bewertungen der Prüfung entsprechen vollumfänglich den Aussagen und den Stellungnahmen der Bauverwaltung und des Bürgermeisters zu diesem und ähnlich gelagerten Sachverhalten der Vergangenheit. Es freut mich, dass wir in der Verwaltung in Reichertshofen äußerst fachkundige und kompetente Mitarbeiter haben.“

 

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