Im Gespräch mit Max Mannheimer
(Jetzendorf, hal)Dr. h.c. Max Mannheimer ist zu einer gewichtigen Stimme für die im Nationalsozialismus verfolgten und ermordeten Juden geworden. Am 11. Mai war er auf Einladung von Erich Irlstorfer, MdB im Schloss Jetzendorf zu Gast und berichtete über sein Leben. Über 180 Gäste waren in den Spiegelsaal des Schlosses Jetzendorf gekommen um den Überlebenden der Schoah zu hören.
Max Mannheimer berichtet annähernd chronologisch, beginnend bei seiner Jugend, die er in dem sudetendeutschen Städtchen Neutitschein verbringt, und den ersten Schatten, die die sog. Reichskristallnacht und die Besetzung des Sudetenlandes vorausschicken. Max Mannheimer wächst in einer liberalen jüdischen Kaufmannsfamilie auf. Die Tefillin, die jüdischen Gebetsriemen, lernt er zwar anzulegen, aber bereits nach kurzer Zeit erlaubt ihm sein Vater, der im 1. Weltkrieg in der Armee des K&K Österreich gedient hatte, diese religiöse Pflicht zu vernachlässigen. Max Mannheimer freut sich aber auf die jüdischen Feiertage, die selbstverständlich in seiner Familie begangen wurden und bedauert nur, dass in der Synagoge im Ort keine Kirchenglocken erklingen oder Orgelmusik ertönt. In seiner frühen Jugend spielt der Antisemitismus keine große Rolle. „Natürlich“ gab es den kirchlichen Antijudaismus, der behauptete, die Juden hätten Christus ermordet, aber in Neutitschein verlaufen die Grenzen zwischen den Tschechen und den Deutschen. Die Juden bewundern die deutsche Kultur – wer es zu etwas bringen will, geht nach Berlin oder Wien zum Studieren.
Doch im Zuge der Novemberpogrome 1938 kommt der Terror in das Industriestädtchen. Torah-Rollen werden auf die Straße geworfen und die Synagoge nur deshalb nicht angezündet, weil der Gasometer der Stadt in ihrer Nähe steht. Max Mannheimers Vater wird verhaftet. Nach Wochen kommt er nur unter der Auflage frei, das Land binnen einer Woche zu verlassen. Die Familie geht nach Ungarisch Brod – doch auch hier ist sie nicht lange sicher.
In Max Mannheimers ausgezeichneten Gedächtnis haben sich Daten und Fakten tief eingegraben. Er erzählt anschaulich und nüchtern und bis in die Details von den Grausamkeiten, die erlebte, von dem Zynismus der Mithäftlinge und von seiner eigenen Naivität. Selbst in Auschwitz angekommen, kann er einem Mithäftling nicht glauben, der berichtet, diejenigen, die nicht mehr arbeitsfähig seien, „gehen durch den Kamin“. Max Mannheimer berichtet von der perfekten Täuschung und Illusion im Lager, die die Konfusion der nächtlichen Selektion ausnutzte. Von dem 1000 Personen starken Transport, mit dem er nach Auschwitz kommt, dürfen vorerst 218 Menschen überleben. Die anderen werden ermordet. Darunter seine Frau, seine Mutter und Schwester und auch sein Vater. Bei einem Zählappell fällt sein Blick auf den Elektrozaun um das Lager und er trägt sich mit dem Gedanken, seinem Leiden ein Ende zu machen. Doch sein 17-jähriger Bruder hält ihn zurück. Dass er ihn damals beinahe im Stich gelassen hätte, belastet Mannheimer noch heute.
Schonungslos beurteilt er auch: „Ich bin kein Held. Wenn ich auf der anderen Seite gestanden hätte, könnte ich nicht beschwören, mein Leben riskiert zu haben, um Juden zu retten.“
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