Reichertshofen bleibt auf Bremspedal
(Reichertshofen, rt)
Seit kurzer Zeit zählt der Markt Reichertshofen neben dem Markt Manching zu jenen Gemeinden im Landkreis Pfaffenhofen, in denen die Mietpreisbremse gilt. Infolgedessen stand auf der jüngsten Sitzung des Gemeinderates eine Abstimmung zur Wohnungsgebieteverordnung auf der Tagesordnung. Die winkte der Gemeinderat ohne Gegenstimmen durch und verzichtete damit auf die Möglichkeit, sich der Mietpreisbremse womöglich zu entledigen. Ob die Bremse dazu taugt, Mieten wirksam zu begrenzen, ist allerdings umstritten.
München hat sie, Regensburg, Landshut auch, Rosenheim oder Aschaffenburg ebenso. Bei Neuvermietungen von älteren und nicht totalsanierten Wohnungen darf nach der heuer getroffenen Entscheidung der bayerischen Staatsregierung in vielen bayerischen Städten und Gemeinden nicht mehr so viel Miete verlangt werden, wie der Markt womöglich hergibt. Es ist nur noch ein Plus von zehn Prozent über dem Niveau der ortsüblichen Vergleichsmiete erlaubt. Am 1. August ist die Mietpreisbremse in Kraft getreten und sorgt jetzt bei so manchem Bürgermeister und Gemeinderat für Irritationen. Aber auch für den Wohnungssuchenden kann es in der Praxis schwierig werden, sein Recht in Anspruch zu nehmen. Nämlich dann, wenn er keine praktikable Vergleichsmöglichkeit hat.
Angespannter Wohnungsmarkt
Reichertshofen habe einen angespannten Wohnungsmarkt, dies stellte Bürgermeister Michael Franken (JWU) bereits vor der Sommerpause fest und jetzt erneut in der ersten Sitzung des Gemeinderates nach den Ferien. Außerdem habe der Ort zwei Prozent zu wenig Wohnungen, war heute zu hören. Dass in der Gemeinde die Mietpreisbremse gilt, führte im Gremium unlängst zu der Annahme, nun womöglich einen teuren Mietpreisspiegel erstellen zu müssen. Und mit dieser Vermutung steht die Marktgemeinde unter den betroffenen Kommunen übrigens nicht alleine da, wie eine Umfrage unserer Zeitung ergab. Franken befürchtete gar Ausgaben in Höhe von etwa 10.000 Euro, mit dem dieses Instrument zur Feststellung der Mietenentwicklung unter Umständen alle zwei Jahre seinen Haushalt belasten könnte. Der Gemeinderat stöhnte auf. „Die Mietpreisbremse sehe ich grundsätzlich nicht negativ“, so Franken in einer früheren Sitzung. In seiner Marktgemeinde habe man es mit stetig steigende Mieten zu tun. „In unserer wirtschaftlich boomenden Region gibt es einen Vermietermarkt und von daher besteht durchaus die Gefahr der Mietenexplosion.“ Franken erkannte grundsätzlich zutreffend, dass „die Vergleichsmiete ich ja als Mieter nachweisen muss und das hat die Erstellung eines qualifizierten Mietpreisspiegels zur Folge.“ Dessen Erstellung könne nur ein externes Planungsbüro leisten.
Entwarnung aus dem Justizministerium
Das bayerische Justizministerium gibt jedoch Entwarnung. Auch nach Einführung der Mietpreisbremse gebe es "keine Verpflichtung für Kommunen, einen Mietspiegel einzuführen“, stellt dessen Pressesprecherin Ulrike Roider klar. Das habe ihnen der Bundesgesetzgeber bei Einführung des Gesetzes nicht auferlegt. Wer als Mieter in einem von der Mietpreisbremse betroffenen Ort Vergleiche anstellen wolle, könne sich beispielsweise auch an entsprechenden Datenbanken von Mietvereinen orientieren. „Wie auch sonst im Vertragsrecht, ist es Sache des Mieters, seine Rechte wahrzunehmen“, klärt Roider auf.
Chance auf Revision
In der Wohnungsgebieteverordnung indes sind nun alle bayerischen Städte und Gemeinden aufgeführt, in denen wegen eines angespannten Wohnungsmarktes unter anderem auch besondere Regelungen für Mieterhöhungen bei bestehenden Mietverträgen und Kündigungsbeschränkungen bei Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen gelten. Das Bayerische Staatsministerium der Justiz hat neben Reichertshofen deshalb weitere 194 bayerische Städte und Gemeinden angeschrieben und ihnen Gelegenheit gegeben, bis 25. September Informationen zu ihrer aktuellen örtlichen Wohnungsmarktsituation zu übermitteln.
"Bei der Verbesserung des Mieterschutzes haben wir die Städte und Gemeinden schon in der Vergangenheit als d i e Kenner der örtlichen Gegebenheiten ganz eng und zum Teil mehrfach in unseren Entscheidungsprozess eingebunden“, so Bayerns Justizminister Professor Winfried Bausback (CSU). Diesen Weg gehe man bei der anstehenden Aktualisierung zum Jahresende konsequent weiter. Die betroffene Städte und Gemeinden könnten neue Entwicklungen ihrer örtlichen Wohnungsmarktsituation mitteilen. Bausback weist darauf hin, dass anlässlich der anstehenden Aktualisierung auch nochmals die Gebiete, in denen die sogenannte Mietpreisbremse greift, angepasst werden können: "Ich habe stets hervorgehoben und wir haben es auch in unserem aktuellen Schreiben an die Städte und Gemeinden nochmals ausdrücklich betont: Unsere Türen bleiben auch nach dem Erlass der Mietpreisbremseverordnung offen: Städte und Gemeinden können noch einmal Tatsachen vortragen, die belegen, dass der örtliche Wohnungsmarkt doch anders zu beurteilen ist, als bisher angenommen. Wir werden jeden einzelnen Gesichtspunkt genau prüfen! Diese Chance sollten unsere Städte und Gemeinden auf alle Fälle nutzen!" In Reichertshofen sprach man sich jetzt einstimmig dafür aus, die Wohnungsgebieteverordnung in ihrer vorgelegten Form anzunehmen.
Rückblick und Ausblick
Zur Ermittlung jener Orte, die unter die Mietpreisbremse fallen, hat das Justizministerium zusammen mit dem Innenministerium bereits 2014 statistische Erhebungen durch das Landesamt für Statistik in die Wege geleitet und alle Kommunen dazu angeschrieben. Alle bayerischen Gemeinden hatten somit die Möglichkeit, sich an dieser Erhebung zu beteiligen. Verpflichtet dazu seien lediglich 468 bayerische Gemeinden gewesen, weitere 440 hätten freiwillig teilgenommen, so Roider. Tatsächlich in die Liste aufgenommen wurden dann Anfang des Jahres 2015 jene Gemeinden, die auf der Grundlage der Erhebung und den Rückmeldungen aus der gemeindlichen Anhörung die Voraussetzungen für die Mietpreisebremse erfüllten. Zum Jahreswechsel 2016 können sich übrigens weitere Gemeinden beim Justizministerium melden, die derzeit nicht zu jenen 144 mit Mietpreisbremse gehören, aber in die Liste aufgenommen werden wollen.
Kritik von Mieterbund und Eigentümern
Kritische Worte kommen indes von der Interessenvertretung privater Immobilieneigentümer in Bayern. „Es gibt keine Norm, nach der diese Vergleichsmieten bestimmt werden können“ sagt Ulrike Kirchhoff, Vorsitzende des Landesverbands Bayerischer Haus-, Wohnungs- und Grundbesitzer. In Gemeinden mit einem Mietspiegel gäbe es wenigstens einen Anhaltspunkt für eine Vergleichsmiete, doch hätten die weitaus meisten Städte und Gemeinden in Bayern ihn nicht. Qualifizierte Mietspiegel lägen nur in wenigen Gemeinden vor und spiegelten die Situation der Vergangenheit wider. Somit seien sie kein geeignetes Instrument für die Festlegung von Neuvermietungsmieten.
Auch der bayerische Mieterbund zeigt sich nicht ganz glücklich mit der Situation und so moniert dessen Geschäftsführerin Monika Schmid-Balzert: "Der Mieter muss die überhöhte Miete rügen. Eine Schwachstelle der Mietpreisbremse ist, dass nicht überall in den Gemeinden, in welchen die Mietpreisbremse gilt, auch Mitspieler existieren anhand derer die Überschreitung der Miete einfach nachgewiesen werden kann." Die Mietervertreterin rät Wohnungsinteressenten, sich die örtlichen Zeitungsinserate mit Objektangeboten anzusehen, um ein Gespür für die verlangten Mieten zu bekommen. Müsse sich ein künftiger Mieter selbst um drei Vergleichswohnungen kümmern, dürfe er bei der Ermittlung der Durchschnittsmiete beispielsweise die Wohnungsgröße oder das Baujahr nicht außer Acht lassen. Weil die gegenwärtige Regelung unbefriedigend ist, fordert der Mieterbund jetzt die Erstellung eines qualifizierten Mietspiegels für alle unter die Mietpreisbremse fallenden Orte. Die Kommunen müssten, so die Ansicht des Mieterbundes, dem Konnexitätsprinzip nach dazu Geld vom Freistaat bekommen, damit sie das finanziell auch umsetzen könnten. Eine Möglichkeit wäre freilich auch, vorhandene Mietspiegel in Ballungsräumen auch für angrenzende Regionen anzuwenden, also deren Geltungsgebiet ausweiten. In ganz Bayern haben gegenwärtig jedoch lediglich 33 Gemeinden überhaupt einen Mietspiegel. Selbst Städte wie etwa Augsburg, Freising, Ingolstadt und Würzburg haben keinen.
Wer also gegenwärtig auf Wohnungssuche beispielsweise in Reichertshofen ist und bei der Miete nicht draufzahlen will, muss sich wohl oder übel irgendwie ein eigenes Bild von den ortsüblichen Preisen machen. Wie er das am Ende anstellt und wie er seinen Recht dann gegenüber dem Vermieter durchsetzt, das bleibt allerdings dem Suchenden überlassen.
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