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I bin der Franz-Joseph und da war i dahoam.

(Pfaffenhofen, rs)

Kabarett solle auch irritieren, er sei nicht der Witze-Erzähler, bei dem sich alle auf die Schenkel klopfen. Beim Kabarett müsse der Zuschauer schon auch mal damit rechnen, dass ihm Brocken hingeworfen werden und an den getätigten Aussagen etwas zu knabbern habe. Helmut Schleich war am Mittwochabend auf der Bühne des Stockerstadls zu Gast und stellte eindrucksvoll unter Beweis, dass Kabarett auch in einer Zeit kommerziellen Privatfernsehens nicht zwangsläufig flach und platt sein muss.

Zwei Dinge wurden beim Auftritt von Helmut Schleich im Rahmen der Kabarettreihe "BrotZeit & Spiele" deutlich: auch politisches und gesellschaftskritisches Kabarett kommt heutzutage, da diese Form der Satire und Parodie immer mehr zu Comedy verwässert, beim Publikum an; und Helmut Schleich täte man absolut unrecht, würde man ihn einzig auf seine Rolle des Franz-Joseph Strauß reduzieren. Sein aktuelles Programm "Ehrlich" lässt ihn unter anderem in die Rollen des Massenmörders "Bestie von Doddlbach", des "Polit-Polterers" und Gesangslehrers von Willi Fritsch, Heinrich von Horchen und auch in die eines Spekulanten schlüpfen, der hochanständig um das Vertrauen unsicherer Anleger wirbt und doch nur das eine will: das Kapital unbedarfter Mitmenschen.

Natürlich darf aber FJS in einem Programm des Publikumslieblings der Starkbieranstiche am Nockherberg nicht fehlen. Ob dieser in Person Schleichs über die ihm nachfolgende Führungsriege der CSU - allen voran Edmund Stoiber, den Wolfratshausener Kamillentee-Sieder, wie er ihn bezeichnet - herzieht, sich selber als "Weißblauer Elder Statesman" in Szene setzt oder die nicht immer transparenten Geschäfte mit durchaus zweifelhaften politischen Gestalten hervorhebt - wenn einer den Übervater der CSU authentisch darstellen kann, dann ist es Helmut Schleich. Selbst seinen Hals kann er in dieser Rolle derart versenken, dass der Kopf scheinbar ansatzlos auf seinen Schultern sitzt. 100 Jahre Franz-Joseph Strauß - der sei genauso alt wie die Cola-Flasche. Was die beiden verbindet, sei der rote Kopf; was sie trennt: die Flasche hat einen Hals.

Auch seine - FJS's und Schleichs - Heimat Bayern kommt alles andere als ungeschoren davon. Urlauber aus Norddeutschland übernachten dort nicht in Gäste-, sondern in Fremdenzimmern. Weißwürst' gäbe es mittlerweile in Dosen und Freie Wähler seien zu seiner Zeit unvorstellbar gewesen. "Seit wann sind die Wähler in Bayern frei? Erststimme: Strauß, Zweitstimme: Franz-Joseph", das sei die unumstößliche Vorgabe gewesen.

Vom Massenmörder über den altehrwürdigen und in seinen Meinungen unumstößlichen Heinrich von Horchen bis hin zu den verschiedenen kleineren Rollen lässt Helmut Schleich in seinem Programm kein aktuelles Thema aus. Die Kirche und ihr Umgang mit Homosexualität bekommt ebenso ihr Fett weg wie die SPD, deren Mitgliederschwund nicht auf Parteiaustritte, sondern auf Sterbefälle zurückzuführen sei. Europa und seine Kommissare - allen voran der "Bildschirmschoner" Oettinger -, Spekulationsgewinne auf den Handel mit Lebensmitteln oder die Griechenland-Krise, die unübersehbar "Draghi'sche" Züge angenommen habe - Helmut Schleich prangert alles an in der ihm ureigenen Art. "Mir geht's in vielem nicht ums Kabarett, mir geht's ganz viel um Moral." Als er das sagt, wird es vorübergehend still im Stadl, man nimmt dem Mann dort auf der Bühne diese Aussage uneingeschränkt ab.

"Wenn Sie mich nach meinem exakten Wissen fragen, da muss ich passen." Den Satz solle man sich schon mal fürs Finanzamt merken, damit komme man immer durch, sprach einer, der es in Person seiner verkörperten Rollen wissen muss. Das Publikum im - leider wieder viel zu eng bestuhlten - Stockerstadl war rundum begeistert; Schleichs Feuerwerk an Anspielungen, Wortklaubereien und in Szene gesetzten Ereignissen hat mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit dazu geführt, dass viele Besucher noch nachts von den Spitzen und Pointen geträumt haben dürften, die sie in der Veranstaltung selber gar nicht alle haben verarbeiten können. Und "der wohl streitbarste Politiker der Nachkriegsgeschichte" (Focus) dürfte auf seiner Wolke gesessen sein und der Kritik seines Stellvertreters auf Erden an der heutigen politischen und gesellschaftlichen Landschaft genüsslich gelauscht haben.
 

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