Erschreckenden Erlebnissen folgt Aufrüstung im Haushalt
(Pfaffenhofen, rt)Symbolfoto: rt
Bereits seit Wochen boomt bundesweit das Geschäft mit legal erhältlichen Waffen und auch der einzige Waffenhändler im Landkreis Pfaffenhofen kann sich über mangelnde Nachfrage nicht beklagen. Mittlerweile kommen sogar die Großhändler mit der Auslieferung kaum noch nach. Es gibt jedoch auch rechtliche Hürden für Waffeninteressenten zu beachten.
Waffenhändler verzeichnen nach den Vorfällen zum Jahreswechsel in Köln offenbar bundesweit eine rasant steigende Nachfrage nach allen legalen Mitteln zur Selbstverteidigung. Branchenkennern zufolge habe sich bereits seit dem Jahr 2014 der Absatz bei Abwehrmittel verdoppelt. „Seit einigen Wochen kaufen die Leute außergewöhnlich viele Abwehrwaffen“, bestätigt der Geisenfelder Waffenhändler Raimund Daller den allgemeinen Trend zur privaten Aufrüstung auf Nachfrage unserer Zeitung.
Abstoßend und erschreckend
„Wir bekommen fast keine Ware vom Großhandel, alles geht weg wie die berühmten warmen Semmeln: Pfefferspray, Armbrüste, Gaspistolen, Schlagstöcke, Elektroschocker.“ Einen derartigen Boom auf Sicherheitsausrüstung habe er noch nie erlebt, sagt Daller staunend. Der Fachhändler ergänzt, dass ihm seine Kunden, es handle sich dabei vorwiegend um Frauen, von „erschreckenden und abstoßende Erlebnissen“ berichteten. Dabei handle es sich um „seriöse, glaubhaften Personen“ die nach derartigen Erlebnissen um ihre Sicherheit fürchteten und sich deshalb bewaffnen wollten, fügt Daller an.
Armbrust und Co.
Wer nun Waffen, dazu zählen freilich auch Messer, Schwerter, Verteidigungssprays und ähnliche Dinge erwerben oder mit sich führen will, muss gewisse behördliche Auflagen beachten. Schon beim Erwerb der frei erhältlichen Waffen ist grundsätzlich ein Alter ab 18 Jahren erforderlich. Was die frei erhältlichen Waffen anbelange, seien „die Einzelfallregelungen sehr umfangreich und detailliert“, erklärt Alice Köstler-Hösl, die Sprecherin des Pfaffenhofener Landratsamts. Bei Zweifelsfragen sollten sich Betroffene am besten an die Kreisverwaltungsbehörde wenden.
So sei etwa Reizgas- und Pfefferspray mit einer Reichweite des Sprühstrahls bis zwei Meter überhaupt erst dann als Waffe zu sehen, wenn es dazu bestimmt sei, „die Angriffs- oder Abwehrfähigkeit von Menschen zu beseitigen oder herabzusetzen.“ Ein Hundeabwehrspray sei demnach keine Waffe. „Gleichzeitig ist dabei aber zu beachten, dass Reizgassprays beispielsweise auch verbotene Waffen sein können, wenn sie nicht amtlich zugelassen wurden.“ Armbrüste könnten zwar erlaubnisfrei erworben und geführt werden, seien aber trotzdem Schusswaffen gleichgestellte Gegenstände und daher Waffen. Ein Bogen hingegen sei dagegen explizit vom Waffengesetz ausgenommen, weil er keine Energie speichern könne. „Bei Messern ist die Bandbreite an Möglichkeiten so groß, dass dazu allgemeine Aussagen nicht möglich sind“, so Köstler-Hösl. Butterflymesser, Faustmesser zählten aber eindeutig zu den verbotenen Gegenständen, während Einhandmesser zwar erworben aber nicht mit sich geführt werden dürften.
Wer allerdings eine Signal-, Reizstoff- oder Schreckschusswaffe nicht nur erwerben, sondern später dann auch mit sich führen will, benötigt seit dem Jahr 2002 einen so genannten „Kleinen Waffenschein“, der von der jeweiligen Kreisbehörde ausgestellt wird. Nur dann dürfen die landläufig als Gaspistolen bezeichneten Waffen zugriffsbereit und mit Munition geladen, etwa beim Joggen unter der Jacke, außerhalb der eigenen Wohnung getragen werden. Ausgestellt wird der Kleine Waffenschein nur an volljährige Personen, die die erforderliche Zuverlässigkeit und persönliche Eignung besitzen. „Bei der Zuverlässigkeitsprüfung fallen unter anderem frühere Vorstrafen, Anzeigen, Ordnungswidrigkeiten etwa im Waffenrecht negativ ins Gewicht“, sagt Köstler-Hösl. Die notwendige persönliche Eignung beziehe sich auf Fragen zu körperlicher und geistiger Leiden. Alzheimerpatienten seien zum Beispiel nicht persönlich geeignet.
Immer mehr Kleine Waffenscheine
Den Eindruck der „Aufrüstung im Wohnzimmer“ bestätigen auch die Zahlen. So wurden im vergangenen Jahr 33 Kleine Waffenscheine ausgestellt. 2012 waren es nur neun. „Aktuell sind 32 Anträge in der Bearbeitung, zwei Anträge wurden abgelehnt und einige wenige zurückgezogen“, teilt die Sprecherin des Landratsamtes dazu mit.
Die Polizei hingegen setzt zunächst auf eine Deeskalationsstrategie bei drohender Gefahr durch Angreifer. „Zuerst sollte versucht werden, soweit wie möglich aus der Gefahrensituation herauszukommen und Konfrontationen nach Möglichkeit aus dem Weg gehen, dazu Aufmerksamkeit schaffen durch Hilferufe oder Ansprache anderer Passanten“, rät ein Sprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern Nord. Und natürlich sei man gut beraten, sofort die Streifenbeamten unter der Notrufnummer 110 zu alarmieren.
Kommentare
Einen Kommentar schreiben
Sie müssen sich anmelden, um Kommentare hinzuzufügen.