Endzeitfantasien
(Berlin / Pfaffenhofen , rt)CSU Bundestagsabgeordneter Erich Irlstorfer. Archivbild: Raths
Bei den Anschlägen in Paris und kürzlich in Brüssel wird es bei realistischer Betrachtung nicht bleiben in Europa. Terror wird das bürgerliche Leben peu à peu verändern, auch in Deutschland. Unsere Zeitung fragte beim hiesigen christsozialen Bundestagsabgeordneten Erich Irlstorfer nach, wie er diese unruhige Zeit im politischen Berlin erlebt und welche Auswirkungen er für unsere Region aktuell sieht.
Der Islamischen „Staat“ versetzt die Bevölkerung nicht nur in Syrien und im Irak in Angst und Schrecken. Der Export des Terrors dient unter anderem auch der Errichtung eines "Kalifats", was aber wenig gemein hat mit der Vorstellung von Tausendundeinre Nacht. Er folgt vielmehr einem von Kaida-Ideologen ausgedachten Sieben-Stufen-Plan, der sich über 15 Jahre zieht. Unter anderem die überregionale Tageszeitung "Die Welt" berichtete im vergangenen November darüber. Demnach soll eine "totale Konfrontation" in der sechsten Phase, und zwar dem im Jahr 2016, beginnen und nach einem Kampf zwischen Glaube und Unglaube mit dem Sieg der "Bannerträger des Islams" im Jahr 2020 enden. Diese Einschätzung teilt jedoch nicht jeder. Die Bundesregierung jedenfalls reagierte nach den Brüsseler Anschlägen geschockt. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) forderte in einer ersten Reaktion, den Kampf gegen extremistische Organisationen "entschlossen und hart" weiterzuführen. Weitere Anschläge schloss er nicht aus.
Menschenverachtender Akt
Irlstorfer war am Tag der Anschläge nicht in Berlin, sondern wegen der sitzungsfreien Woche in seinem Wahlkreis unterwegs: „Natürlich war ich schockiert, über das was in Brüssel geschehen ist. In allererster Linie trifft mich ein solches Ereignis emotional tief. Als Ehemann und Vater ist allein die Vorstellung bei einem solchen Terrorakt die eigenen Angehörigen zu verlieren furchtbar.“ Seine Gedanken und seine Anteilnahme habe deshalb in erster Linie denjenigen gegolten, die an diesem unheilvollen Dienstag unwiederbringlich geliebte Menschen verloren hätten.
„Sicherlich gilt es aber in der Folge auch, sich bewusst zu machen, dass dies ein menschenverachtender Akt war, der sich gezielt gegen die Nationen wendet, die sich den so oft herangezogenen ‚westlichen Werten‘ verschrieben haben.“ So unpräzise man diesen Begriff auch halten möge, „unbestritten kann die Freiheit als ein wichtiger Bestandteil dieser Werte betrachtet werden. Und ich denke, dass eine so wichtige Errungenschaft wie diese unbedingt verteidigt werden muss. Es gilt also sich dem Problem zu stellen und akribisch und ununterbrochen an der Bekämpfung des Terrorismus zu arbeiten, statt sich durch Geschehnisse wie die von Brüssel entmutigen zu lassen.“
Befürchtungen der Bevölkerung, dass bald auch in Deutschland Anschläge verübt werden könnten, teilt Irlstorfer grundsätzlich, vertraut aber auf die Vollzugsorgane des Staates. „Es gibt meines Wissens nach keine konkreten Hinweise auf geplante, terroristische Attacken in Deutschland. Trotzdem gibt es Anlass zur Sorge, denn vollkommen auszuschließen ist so etwas deswegen jedoch nicht.“ Gerade diese diffuse Gefahr, diese unübersichtliche Lage mache jedoch den Terrorismus so bedrohlich. „Mögliche Gefahrenpunkte sehe ich dabei vor allem an den Stellen, wo viele Menschen zusammenkommen. Wir sollten jedoch auch weiterhin Vertrauen in unsere Sicherheitsbehörden haben, die in dieser Sache hervorragende Arbeit leisten und rund um die Uhr die Sicherheit der in Deutschland lebenden Menschen im Blick haben.“
Kein Risiko in der Region zu erwarten
Besondere Sicherheitsvorkehrungen in der hiesigen Region zur terroristischen Gefahrenabwehr gibt es laut dem Bundestagsabgeordneten nicht. Ebenso rechnet er nicht mit Einschränkungen, etwa bei der Mobilität. „Die Sicherheitsvorkehrungen bei Massenveranstaltungen sind im Zuge der andauernden Terrorgefahr bereits erhöht worden. Zusätzlich gelten vor allem die Transportknotenpunkte wie Flughäfen und Bahnhöfe als neuralgische Punkte.“ An diesen Stellen würden selbstverständlich die Kontrollen verstärkt, das Sicherheitspersonal aufgestockt und die Ausstattung der Beamten angepasst. „Die Beamten werden hierzu mit Schutzwesten und einer entsprechenden Bewaffnung ausgestattet. Mit Einschränkungen der Mobilität ist deswegen jedoch nur bedingt zu rechnen, insofern, dass es vielleicht durch die verstärkten Sicherheitsmaßnahmen zu etwaigen Verspätungen in geringem Ausmaß kommen könnte.“
Verschwunden in Deutschland
Heftig an den Stammtischen und anderswo wird gerade in diesen Tagen diskutiert, welche Auswirkungen die uneingeschränkte Grenzöffnung hatte. In deren Folge bekanntlich zahlreiche Menschen unkontrolliert nach Deutschland gekommen sind und andere zwar registriert worden waren, dann aber verschwunden sind. Oftmals wird dies als Risiko gesehen, dass sich unter diesen Menschen gewaltbereite Migranten beziehungsweise Terroristen befinden und diese nun untergetaucht sind. Irlstorfer warnt in dieser Sache davor, alles in einen Topf zu werfen. „Ich denke, es ist wichtig an dieser Stelle zunächst einmal klar zu stellen, dass man das Thema Migration beziehungsweise Flüchtlinge keineswegs mit dem Thema Terrorismus verbinden sollte.“ Das käme einer Vorverurteilung aller Menschen gleich, „die in ihrer Verzweiflung und mit der Suche nach Hilfe zu uns kommen. Natürlich ist mir auch bewusst, dass diese Situation sicherlich von terroristischen Organisationen ausgenutzt wird, um dementsprechend Mitglieder nach Deutschland respektive nach Europa einzuschleusen.“
Keine lückenlose Idenitfizierung
Die Aufnahme der Flüchtlinge sei jedoch nicht komplett unkontrolliert geschehen. Man habe versucht, sämtliche Personalien aufzunehmen und die ankommenden Menschen so zu registrieren. „Das dies nicht immer zuverlässig gelungen ist, lag nicht an etwaiger defizitärer Arbeit der Grenzbeamten, sondern daran, dass viele Flüchtlinge vor der Einreise ihre Ausweisdokumente vernichtet haben umso im Einzelfall ihre Herkunft zu verschleiern und damit eventuell die Chancen auf einen positiven Asylbescheid zu erhöhen.“ Dieser Umstand habe eine lückenlose Identifizierung natürlich nur schwerlich möglich gemacht.
„Dass unter den in überwiegender Zahl in friedlicher Absicht gekommenen Menschen also möglicherweise auch Terroristen sind, lässt sich nicht gänzlich ausschließen. Deshalb ist es unerlässlich, dass sich Bundesjustizminister Heiko Maas endlich dahinterklemmt und die drei Regelungssysteme zu einem kombiniert und wir dann ein funktionierendes System haben und so eine enorme Verbesserung der Datenlage herbeiführen.“
Die Rückschlüsse aus vorherigen terroristischen Akten zeigten aber, dass Terroristen auch in anderen Zeiten Mittel und Wege gefunden hätten, sich in andere Gesellschaften einzuschleichen und ihre Anschläge zu planen. „Der Schluss, der daraus zu ziehen ist, kann also sicherlich nicht darin münden, Schutzsuchende mit generellem Misstrauen und Ablehnung zu begegnen. „Vielmehr gilt es die europäische und internationale Zusammenarbeit zu stärken und die Geheimdienste besser zu vernetzen und auszustatten, denn Prävention erscheint mir der einzig erfolgversprechende Weg.“
Sieben Phasen bis zum Sieg?
Auf die Frage, wie Irlstorfer vor dem Hintergrund der Kaida-Befragung des jordanischen Journalisten Fuad Hussein, wonach die sechste von sieben Phasen bis zum Kalifat im Jahr 2016 beginne, die eine "totale Konfrontation" vorsehe und eine "islamische Armee" die „Schlacht zwischen Glauben und Unglauben" entscheide, das jüngste Geschehen in Brüssel bewertet und ob die Gefahr besteht, dass sich unter die Migranten auch eine unbekannte Zahl von Terroristen gemischt haben, antwortete der Bundestagsabgeordnete: „Betrachtet man den Text von Fuad Hussein einmal genauer, der ja aus dem Jahr 2005 stammt, dann wird schnell klar, dass hier keinesfalls von einer Vorhersehung der Geschehnisse die Rede sein kann. Vielmehr wirkt das dargestellte Szenario wie eine geschickt konstruierte Geschichte, welche die Anschläge vom 11. September 2001 und den Fall Bagdads im Nachhinein als Teil eines großen Planes von al-Qaida uminterpretiert.“
Ziehe man zudem in Betracht, dass es sich beim IS auch keinesfalls um einen Staat im klassischen Sinne handelt, sondern um eine Terrorvereinigung, und man auch in Fragen der Organisation weniger von einem einheitlichen Handeln ausgehen könne, dann könne man den Artikel Fuad Husseins sicherlich nicht als eine Art verbrecherischen und menschenverachtenden Masterplan bezeichnen. „Möglicherweise dienen die aufgeführten Ideen Einzelnen als pervertierte Inspiration, darin allerdings mehr zu sehen als das, halte ich für vermessen und würde es eher in den Bereich der Verschwörungstheorien verbannen.“
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