Drei irdische Schutzengel retten Kleinkind das Leben
(Reichertshofen, rt)Osman (l.) ist nur knapp dem Tod entronnen dank der Hilfe seine Bruders Milat und zwei weiterer Retter.
Zu einer Katastrophe gekommen wäre es für eine Reichertshofener Familie beinahe am vergangenen Donnerstag: Der erst 17 Monate alte Osman A. stürzte in den Heideweiher und wäre darin fast ertrunken, hätten nicht drei „irdische Schutzengel“ eingegriffen. Einer der Engel braucht nach der dramatischen Rettung jetzt selbst Hilfe.
Osman ist zusammen mit seiner 27-jährigen Mutter Narges A. und seinen Geschwistern Milat, Suleiman (4), Tamana (7) und Madina (8) am Heideweiher um dort Ball zu spielen. Die afghanische Asylbewerberfamilie, die seit April 2014 auf ihre Anerkennung wartet, will eigentlich nur einen unbeschwerten Tag genießen, während Vater Bahdor Khan A. (32) an anderer Stelle des weitläufigen Erholungsgebietes zusammen mit weiteren Landsmännern den Vatertag beim Fußballspielen verbringt.
Es ist kurz nach 17 Uhr, die Sonne scheint, doch etwas kalt ist es wegen des Windes dennoch. Die fünf Geschwister toben umher. Plötzlich springt der Ball unvorhergesehen in den Heideweiher. Osman zögert nicht lange und läuft ihm hinterher. Der Kleine ist erstaunlich schnell. Am Uferbereich nahe des Volleyballplatzes ist das Gelände steil und im Gewässer geht es nach einem kurzen Absatz gleich in die Tiefe. Der Bub ist derart auf den Ball fixiert, dass er in seinem Unternehmensdrang die Böschung nicht bemerkt und ins Wasser stürzt.
Fügung des Schicksals
Mit dem Gesicht zum Grund des Gewässers taucht er dort zunächst unter, kommt aber kurz darauf wieder an die Wasseroberfläche. In diesem Moment eilt der neunjährige Milat zu Hilfe und will seinen Bruder retten. Doch dieser bekommt nur den Kopf Osmans zu fassen und hebt ihn geistesgegenwärtig hoch aus dem Wasser. Weiter in den Heideweiher traut er sich nicht, da er befürchtet, selbst unterzugehen. Doch Osman treibt vom Ufer weg. Eine Fügung des Schicksals will es, dass nun zwei weitere Helfer ins Spiel kommen: Zuerst trifft der mit seiner Familie spazierengehende Mohammad Hassan Gholami am Ort des Geschehens ein. Er ist ebenfalls Asylbewerber aus Afghanistan und vielen Reichertshofenern bekannt als engagierter Mitarbeiter des dortigen gemeindlichen Bauhofes. Ohne zu zögern springt er augenblicklich ins Wasser, packt Osman, der zu diesem Zeitpunkt bereits etwa zwei Meter vom Ufer entfernt ist. Narges A., Nichtschwimmerin, verharrt währenddessen geschockt in Schreckstarre am Rand des Gewässers.
Der neunjährige Milat (ganz links) kam seinem Bruder als erster zu Hilfe, doch alleine konnte er nur wenig ausrichten.
Feuerwehrmann rettet Osmans Leben durch Reanimation
Gholami hat währenddessen Osman zu fassen bekommen und an Land gebracht. Er ruft nach Hilfe, weil er sich in dieser Situation nicht zu helfen weiß. Osman atmet nicht mehr und liegt wie leblos am Boden. Das kleine Herz hat aufgehört zu schlagen. Die dramatische Situation erkennend, kommt ein weiterer Helfer dazu. Dabei handelt es sich um einen Feuerwehrmann aus Pfaffenhofen, selbst Vater zweier Kinder und fit in Erster Hilfe. Er beginnt augenblicklich mit der Reanimation des Kleinen. Und hat damit Erfolg. Osman spuckt Wasser aus. Die professionelle Rettungskette läuft derweil auf Hochtouren. Um 17.22 Uhr schlägt die Integrierte Leitstelle Ingolstadt Alarm. Die ersten Rettungskräfte - First Responder - treffen ein. Den Beamten der Polizeiinspektion Geisenfeld bietet sich das Bild verstörter Kinder und Erwachsener. BRK und die Reichertshofener Feuerwehr sind ebenfalls bereits da und kümmern sich um das junge Opfer.
Der Rettungshubschrauber Christoph 32 landet auf der nahen Wiese mit dem Notarzt an Bord. Doch alle Beteiligten können durchschnaufen. Osmans Zustand hat sich noch vor Ort soweit stabilisiert, dass er mit dem Rettungswagen in die Neuburger Kinderklinik transportiert wird. Dort musste er vorsorglich bis zum vergangenen Freitag zur Beobachtung bleiben. Der Kinderarzt gab grünes Licht: Osman hat keine physischen Schäden davongetragen. Augenscheinlich geht es ihm auch psychisch gut.
Milat erzählt gegenüber unserer Zeitung, dass er nicht lange gezögert habe: „Ich bin ins Wasser gesprungen und wollte Osman an Land ziehen, aber ich habe es nicht mehr geschafft. Ich habe noch seinen Kopf heben können.“ Er habe bemerkt, dass er, nur einen Schritt weiter machend, selbst untergehen würde. Der Feuerwehrmann aus der Kreisstadt habe erklärt, bestätigte Kommandant Roland Seemüller am heutigen Sonntag, dass er anonym bleiben wolle. Medienberichten zufolge soll der Mann 41 Jahre alt sein und gegenüber der Polizei gesagt haben, dass sein Handeln doch eine Selbstverständlichkeit sei. Gholami ist immer noch mitgenommen von dem Geschehen. Da auch er in voller Kleidung ins Wasser gesprungen ist, hat er nun nicht nur ein unbrauchbares Mobiltelefon. Was gewichtiger für ihn ist, seine Brille ist im trüben Wasser des Heideweihers verloren gegangen. Nun hofft er zusammen mit den Betreuern des örtlichen Asylhelferkreises, dass er möglichst bald irgendwie an eine Ersatzbrille kommt.
Die Geschwister von Osman machen bereits wieder Scherze, der Vater ist erleichtert, nur die Mutter hat den Schrecken noch immer nicht verdaut. Sie muss deswegen in ärztliche Behandlung. Osmans Familie hat aber noch einen dringenden Wunsch: Sie möchte sich noch bei dem Feuerwehrmann bedanken. „Er soll sich bitte, bitte bei uns melden“, sagt Narges A. Es werde ein Festessen geben - Ybuli Polov. Was genau das ist, wird der Pfaffenhofener Feuerwehrmann hoffentlich selbst herausfinden wollen.
Osmans Familie mit Retter Mohammad Hassan Gholami (ganz links).
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