Der Zwischenfall des Johann Reißer
(Pfaffenhofen, mh)
Der diesjährige Lutz-Stipendiat Johann Reißer, hat sich mit einer erfrischenden Geschichte für den Aufenthalt in Pfaffenhofen bedankt. Mit einer fast andächtigen Lesung seines nicht gerade kurzen Textes, hat er ganz in der Art von Josef Maria Lutz, seine Eindrücke über das „Kleindelfing“ von heute erzählt.
Begleitet von Dominikus Dosh an der Akustikgitarre, zeichnete Reißer die fiktive Geschichte eines Scouts, der für ein chinesisches Unternehmen die Gegend um Pfaffenhofen, für einen Automobilpark erkunden sollte. Lebensraum Auto – Projekt P, auf der Suche nach einer Gegend die man autogerecht modellieren kann. Die Landschaft, die Wohnsituation, Straßenführungen und Busverkehr, alles das wurde auf Autoverträglichkeit überprüft.
Was der Scout so alles entdeckte, kam dem geneigten Pfaffenhofener doch sehr bekannt vor. Von Geisterbussen war die Rede, dem seit Generationen vererbten Recht mit dem Auto direkt vor den Geschäften der Innenstadt zu parken, einer Altstadt die praktischerweise keine alte Stadt mehr ist. Die Beschreibung einer Bierwirtschaft mit durchaus gemischtem Publikum, die doch sehr an die „Alte Eiche“ erinnert. Dabei bleibt Johann Reißer nahe am Originalzustand den er hier vorgefunden hat.
Im ersten Teil der Lesung bekamen die zahlreichen Zuhörer im historischen Rathaussaal, mit der Geschichte des Kaffeehausbesitzers "Greitinger", einen Einblick in die Arbeitsweise des Lutz-Stipendiaten. Auch hier besticht die vielfältige feine Wortwahl und die Aneinanderreihung teils absurder Momente. Der Beschreibende bleibt neutral, bewertet nicht, sondern schildert was er vorfindet, sehr angenehm und mit überraschendem Ende.
Reißer ist der dritte im Bunde der Schriftsteller, die eine Lutz Geschichte in unserer Kleinstadt hinterlassen. Der Plan ist in naher Zukunft eine Gesamtausgabe der literarischen Gäste zu veröffentlichen, Stadtschreiber in Pfaffenhofen, ein Blick von außen auf die lebenswerteste Kleinstadt der Welt. Bis Mitte August residiert der junge Mann noch im „Flaschlturm“, dort hat er nun Zeit an seinem Roman „Landmaschinenparadies“, der von eigenwilligen, skurrilen und unheimlichen Phänomenen erzählt, die auftreten, wenn sich eine traditionell-bäuerlich geprägte Landschaft in eine reiche Industrieregion verwandelt, weiterzuarbeiten. Vielleicht gibt es ja auch noch eine Wiederholung seines Projektes „DER ERNSTFALL Eine kleine Bunkerrevue“, das vor kurzem im Fernmeldebunker Pfaffenhofen stattfand.
Zum Autor (Quelle: Stadt Pfaffenhofen) Der promovierte Literaturwissenschaftler Johann Reißer ist 36 Jahre alt und lebt derzeit als freier Autor und Theatermacher in Berlin, kommt allerdings ursprünglich aus der Nähe von Regensburg. Reißer studierte in Regensburg und Berlin. 2012 promovierte er über Archäologie und Sampling in der Lyrik von Rolf Dieter Brinkmann, Thomas Kling und Barbara Köhler am Graduiertenkolleg „Lebensformen und Lebenswissen“ in Frankfurt an der Oder und Potsdam. Seit 2004 veröffentlicht er Prosa, Lyrik, Essays und intermediale Arbeiten in deutsch- und englischsprachigen Literaturzeitschriften.
2009 gründete er gemeinsam mit Kamila Handzik die Theatergruppe „PlastikWorks“, die er seitdem leitet. Die Theatergruppe führt eigene Theaterstücke und Performances in verschiedenen Theaterhäusern und bei zahlreichen Theater- und Medienkunstfestivals auf. Neben weiteren Auszeichnungen war Reißer 2013 Stadtschreiber in seiner Heimatstadt Regensburg und 2014 in Rottweil. Ebenfalls 2014 erhielt er das Alfred-Döblin-Stipendium der Berliner Akademie der Künste mit Aufenthalt im Döblin-Haus Wewelsfleth.
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