Scharfe Kritik am Landratsamt
(Wolnzach, hal/rt)Symbolbild: Raths
Scharf kritisiert wird das Vorgehen des Landratsamts Pfaffenhofen bei der geplanten Erweiterung der Eschelbacher Hähnchenmast von der Ortsgruppe Wolnzach/Rohrbach des Bund Naturschutz in Bayern (BN). In einer Pressemitteilung wenden sich die Naturschützer jetzt an die Öffentlichkeit. Anlass dafür ist der kürzlich von der Kreisbehörde genehmigte vorzeitige Baubeginn für die Anlage.
„Die Ortsgruppe Wolnzach/Rohrbach des BN reagiert bestürzt und enttäuscht auf die Zulassung des vorzeitigen Baubeginns“, so Micha Lohr, Vorsitzender der BN-Ortsgruppe. Das Landratsamt gebe in Sachen Hähnchenmast seit Monaten keine gute Figur ab. „Es scheint sich wesentlich mehr für die Interessen von Unternehmern als von Bürgern und Umweltschutz zu interessieren.“
Lohr führt zur Untermauerung seiner Behauptung etliche Beispiele auf, die sich seiner Ansicht nach auf formale Themen beschränken, jedoch Themen wie Gesundheitsgefährdung der Anwohner, Schäden an Biotopen und Wasser oder den Tierschutz, obgleich wichtig, unerwähnt bleiben: „Im Februar wurden die zwei Ordner füllenden Unterlagen nur in den Behörden ausgelegt, obwohl die Einsichtnahme laut § 27a VwVfG auch online ermöglicht werden soll, wie Ulrich Werner, der Anwalt der Ortsgruppe, beklagt. Die als Reaktion auf Einwendungen teils massiv nachgebesserten Gutachten sowie nachgereichte Dokumente wurden nur aktiv nachfragenden Einwendern auf Antrag zugänglich gemacht. Damit war die Öffentlichkeitsbeteiligung unvollständig und rechtswidrig.“ Lohr weiter: „Die öffentliche Erörterung der Einwendungen im Juni wurde arbeitnehmerunfreundlich auf zwei Werktags-Vormittage gelegt. Auf dem Podium thronten, mit Mikros und Getränken versorgt, neben Moderation und Behördenvertretern, auch die Herren Höckmeier jun. und sen., obwohl nur einer von beiden Antragsteller ist. Für die Einwender und deren Anwalt gab es erst auf massive Intervention hin einen Tisch unterhalb des Podiums; ein Mikrofon mussten sich alle Einwender teilen.“
Lohr: Landrat hält Zusage nicht ein
Das Landratsamt hatte im Vorfeld den umfangreichen Antrag auf eine Erweiterung der Eschelbacher Hähnchenmast auf rund 145.000 Tiere, was eine der größten Anlagen in Bayern bedeuten würde, an verschiedene Behörden wie Gesundheitsamt, Naturschutzbehörde und Feuerwehr weitergeleitet und diese um Stellungnahmen gebeten. „Ganz offensichtlich sind jedoch viele dieser Einrichtungen schon personell nicht in der Lage, die hunderte Seiten umfassenden Dokumente gründlich durchzusehen, was man daran sieht, dass viele von ihnen keine Einwände äußerten oder teils erst durch die Einwände von Bürgern, die ihnen später vorgelegt wurden, auf Probleme aufmerksam wurden und dann reagierten.“ Die Zusage von Landrat Martin Wolf (CSU), alle Fakten objektiv zu prüfen und sich strikt an Gesetze und Vorschriften zu halten, „wurde leider oft nicht eingehalten.“ Dazu führt Lohr beispielsweise die Privilegierung der Landwirtschaft an, wonach Landwirte auch außerhalb von Ortschaften bauen können, was dem Normalbürger grundsätzlich verwehrt ist. “Sie ist aber an Bedingungen geknüpft. So sieht § 201 BauGB als Voraussetzung für Tierhaltungsbetriebe vor, dass das Futter überwiegend auf eigenen Flächen erzeugt werden kann. Diese Formulierung wurde von diversen Gerichten so interpretiert, dass mehr als 50 Prozent der benötigten Futtermenge tatsächlich angebaut werden und sich die Flächen im Besitz des Landwirts befinden müssen. Dass diese beiden Bedingungen im vorliegenden Fall nicht erfüllt werden, stört das Landratsamt jedoch nicht.“ Gerichte hätten zwar auch schon vereinzelt Pachtflächen statt Eigentum für den Futterflächennachweis akzeptiert, „doch wurde verlangt, dass die Restlaufzeit der Pachtverträge mindestens 18 Jahre beträgt, um der zu erwartenden Nutzungsdauer der neuen Ställe Rechnung zu tragen.“ Das Landratsamt wolle jedoch nicht einmal wissen, wie lange die Restlaufzeiten sind, auch der Anwalt des BN erhielt die Information nicht. „Simon Oehrlein von der Immissionsschutzverwaltung im Landratsamt teilte dazu mit: Darüber hinaus gehende Unterlagen halten wir nicht für erforderlich“ Es genüge zu wissen, dass Pachtverträge mit Laufzeiten von neun bis 20 Jahren vorlägen. „Wie viele dieser Jahre noch übrig sind, spielt offenbar für die Behörde keine Rolle - ein eindeutiger Widerspruch zur erwähnten Rechtsprechung. Und wenn die Voraussetzungen für die Privilegierung nicht gegeben sind, ist das gesamte Vorhaben nicht genehmigungsfähig.“
Landratsamtsjuristin auf dünnem Eis
Aktuell befinde sich die Juristin und Leiterin der Abteilung für Immissionsschutz im Landratsamt, Alexandra Schönauer, juristisch erneut auf sehr dünnem Eis, meint Lohr. „Sie kommt dem Antragsteller sehr weit entgegen, indem sie einen vorzeitigen Baubeginn erlaubt. Sie behauptet, ‚der Antragsteller hat einen Rechtsanspruch auf die Zulassung des vorzeitigen Beginns‘. Das trifft nicht zu.“ Es fehle nämlich eine wichtige Voraussetzung, nach § 8a Bundesimmissionsschutzgesetz sei Bedingung, dass „mit einer Entscheidung zugunsten des Antragstellers gerechnet werden kann“. Das könne aber nicht beurteilt werden: „Erstens betont ihr Vorgesetzter, Landrat Martin Wolf, das Verfahren über die Erweiterung der Hähnchenmast sei noch nicht abgeschlossen. Und zweitens stehen noch wichtige Unterlagen wie das überarbeitete Bioaerosolgutachten aus.“ Somit sei die Behörde dabei, nicht nur die Stellungnahmen der Gemeinde Wolnzach, sondern auch die knapp 3.000 schriftlichen Einwendungen von besorgten Bürgern und Verbänden, die Argumente von BN-Anwalt Werner und zahlreiche einschlägige Gerichtsurteile in den Wind zu schlagen und trotz ihrer Schäden für Umwelt, Klima und Menschen eine riesige Tierfabrik in unserer Heimat zu genehmigen.
Vorzeitiger Baubeginn genehmigt
Lohr bezieht sich bei seinen Ausführungen vor allem auf den kürzlich vom Landratsamt genehmigten so genannten „vorzeitigen Beginn“ für die geplante Hähnchenmastanlage. Demnach es gesetzeskonform ist, den Humus abzuschieben und eine Planie (Technische Bearbeitung der Bodenschicht) herzustellen. Damit soll dem Antragsteller Gelegenheit gegeben werden, das Grundstück „herzurichten“, für den Fall, dass das Vorhaben nach einem entsprechenden Bescheid des Landratsamts zu einem späteren Zeitpunkt endgültig errichtet werden kann. Der Antragsteller habe einen Rechtsanspruch auf die Zulassung des vorzeitigen Beginns, da er ein berechtigtes Interesse geltend machen könne, hieß es in diesem Zusammenhang aus dem Landratsamt.
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