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Verdi, Marsch und Jedi-Ritter

(Wolnzach, ls)

Was sind Dynamik und Phrasierung? Mit welcher Körperöffnung spielt man eigentlich eine Posaune? Und sind Holzbläser am Ende auch nur Menschen? Diese und andere Fragen konnte Hans Heiner Bettinger, seines Zeichens Dirigent der Marktkapelle Wolnzach, beim Frühjahrskonzert eben jener zum Amüsement des Publikums beantworten. Doch nicht nur dem Intellekt bot man eine Reise in die Geschichte von Polka, Walzer, Marsch und co. Vielmehr waren die Stars des Abends die Musiker, die mit beeindruckendem Lungenvolumen zu überzeugen wussten und vor allem ihr Liedgut gekonnt in Szene setzten.

Bettinger nahm seine Premiere als Moderator zum Anlass, den Abend einmal von einer anderen Seite aufzurollen, einer pädagogischen nämlich. „Warum mache ich die Dinge so wie ich sie mache? Warum wähle ich bestimmte Stücke aus?“, fragte der passionierte Posaunist sein Publikum. Die Antwort folgte auf dem Fuß. War der „Einzug der Gladiatoren“ von Julius Fucik quasi das Klassikerstück für eine Eröffnung, zeigte die „Overture a la Russe“ schon die ganze Bandbreite bläserischen Geschicks. Epische Filmmusikmomente, mitreißende Zirkusvariationen und zarte, melancholische Phasen, die ein verträumtes Heimatidyll aufleben lassen – damit präsentierte die Marktkapelle in einem Stück ihr umfassendes, musikalisches Spektrum, dass in einer epischen Klangbreite sein Ende fand.

„Die gleiche Blaskapelle, aber ein ganz anderer Sound“, so Bettinger. Und es ist wahr – in einem Großteil der Filme, die man aus Hollywood, Cannes oder Berlin kennt, spielen die Bläser und ihre Ensembles eine tragende, diversifizierende Rolle. Das bewies vor allem die Nachwuchskapelle um Dirigent Lukas Stolz. Nachdem sie Maghon Trainors spielerische Hommage an einen gesünderen Körperkult („All about that Bass“) auf die Bühne brachten, wurde es mit „The Marches of John Williams“ Oscar verdächtig. Erst Indiana Jones „Raider’s March“ und dann auch noch der „Victory March“ aus „Eine neue Hoffnung“ – da schlug wirklich jedes Nerd-Herz ein wenig höher.

Einen „musikalischen sowie optischen Leckerbissen“ boten Stefanie Duna und Sandra Eberwein. Ironischerweise hieß ihr Stück „Lustige Wanderburschen“, und so gaben die beiden Tenorhorn-Spielerinnen stilecht mit Hut und Tracht ein sehr erfrischendes Bühnenbild ab. Auch der eine oder andere im Publikum konnte sich bei ihrem immer schneller werdenden und beschwingten Notenspiel nicht ganz der musikalischen Dynamik entreißen und wippte begeistert mit.

Ähnlich erging es den Zuhörern bei Florian Ottowitz und seiner Darbietung der „verliebten Posaune“ von Otto Heinl. Nach Bettingers einführendem Schenkelklopfer à la „Es heißt zwar Posaune, aber man spielt sie mit dem Mund“, nach eigenen Aussagen ein von langer Hand inszenierter Riesengag, weckte der junge Musiker in seinem Solo tatsächlich Frühlingsgefühle. Das verriet ein Blick ins Publikum. Verklärte Blicke und geheimnisvolles Schmunzeln – die Blaskapellenenthusiasten waren an diesem Sonntag wirklich mit vollem Herzen dabei.

Anders kann man es auch beim inoffiziellen Höhepunkt des Abends nicht beschreiben. Wer zu Weihnachten fleißig Ernst Marischkas Historiendrama um die junge Kaiserin von Österreich konsumiert, fühlte sich beim „Gefangenenchor“ aus der Oper Nabucco von Verdi tatsächlich kurzzeitig in die Mailänder Scala versetzt, wo die Bediensteten der italienischen Aristokratie ihrem Unmut über das Österreichische Kaiserpaar Luft machten. „Singe, Harfe, in Tönen der Klage von dem Schicksal geschlag`ner Hebräer“, so tönte es auch durch die Aula des Hallertau Gymnasiums. Selbst den Musikanten auf der Bühne stahl sich bei der choralen Unterstützung durch ihre Zuhörer ein Lächeln über das Gesicht.

„Es war ein tolles und ausgewogenes Programm“, stellte auch Vorstand Hans Frank fest. Dieser hatte zusammen mit Bürgermeister Jens Machold das Vergnügen, Lisa Freisleben zu ehren. Sie musiziert seit 10 Jahren aktiv in der Marktkapelle, und das äußerst erfolgreich. Bei ihrem Trompeten-Solo „Freut euch des Lebens“ wusste die Nachwuchsmusikerin mit ihrem Spiel zu beeindrucken.

Um den Nachwuchs der Marktkapelle muss man sich laut Bettinger also keine Sorgen machen. „Die Szene hat sich sehr verändert, Blasmusik ist längst nicht mehr so verstaubt. Die jungen Leute interessieren sich für viele Arten von Musik“, stellte er fest. Neben Musizieren im Ensemble gibt es in der Marktkapelle außerdem die Möglichkeit, das Instrument von Grund auf zu lernen. Und auch in der Stückauswahl haben die Musiker ein Mitspracherecht. „Viele der Lieder haben die Leute aus der Kapelle an mich herangetragen“, so Bettinger.

Den Beweis dafür lieferten die Zugaben. Bruno Mars „Uptownfunk“ und „Let it be“ von den Beatles, die beiden Stücke sorgten am Ende nochmal für einen echten Gänsehautmoment. Mit Jens Macholds abschließenden Worten, die schon fast einem Stand-up Auftritt gleichkamen, kann man dem Konzert nur das Prädikat „unterhaltsam bis beeindruckend“ vergeben. „Wennst wuist, dass d’Leid auf dich hern, dann derfst ned Pfarrer oder Bürgermeister werden, sondern Dirigent“,

so Machold.
 

Ein sichtlich schwerer Abschied: Nach 39 Jahren Marktkapelle zieht es Lothar Niedermeier ins ferne Tirol. Sowohl Bürgermeister Machold als auch Vorstand Hans Frank dankten dem Musiker für seine treuen Dienste. (V.l.: Jens Machold, Lothar Niedermeier, Lisa Freisleben und Hans Frank)

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