Spurensuche zum Internationalen Tag des Museums
Unscheinbare Exponate, verblichene Hinweisschilder und ein Aufseher, der einen sofort mit einem vernichtenden Blick straft, wenn man es wagt auch nur ansatzweise zu lachen – wir alle haben wahrscheinlich sofort ein Klischee im Kopf, wenn wir an Museen und Ausstellungen denken, durch die man mit der 4.Klasse damals an Wandertagen gescheucht wurde.
Daher ruft der Internationale Museumsrat nun schon zum 40. Mal den Tag des Museums aus, um mit diesem mehr als verstaubten Vorurteil aufzuräumen. Wie jedes Jahr steht der Tag wieder unter einem speziellen Motto. Mit „Spurensuche – Mut zur Verantwortung“ haben sich die Historiker und Kuratoren ein schwer klingendes Thema ausgesucht. Ich habe mich auf eine Reise zu drei der elf Museen des Landkreises gemacht, von drückender Last einer schwerwiegenden Vergangenheit konnte ich dort eher wenig spüren. Ganz im Gegenteil, es war ein spannender Ausflug zu den Wurzeln unserer Region. Mehr als einmal habe ich mir dabei gedacht: „Das konnte man damals schon?“
Deutsches Hopfenmuseum Wolnzach
Im Deutschen Hopfenmuseum treffe ich mich mit Dr. Christoph Pinzl. Er ist Volkskundler und Kurator des Deutschen Hopfenmuseums inmitten des Wolnzacher Ortskerns. Schon die Architektur des Gebäudes lässt die Verbindung zur Bierpflanze erahnen, jetzt im Mai strecken sich bereits die ersten Ranken auf dem Vorplatz in den blauen Himmel der letzten Tage. Pinzl erklärt mir, dass es letztlich ein sehr banaler Grund ist, warum es dieses Museum gibt, der aber weitreichende Konsequenzen für das ganze Leben der Hallertau hatte. „Irgendwann hat jemand beschlossen, Hopfen in sein Bier zu tun. Und man will nicht glauben, wo der Hopfen seither überall stattfindet“ erzählt der Volkskundler mit einem Schmunzeln. Und es stimmt, geht man durch das Museum, findet man allerlei Gegenstände, die wahrscheinlich schon abertausende Male durch die Hände der Hopfenbauern gegangen sind. Ein alter Traktor aus der DDR, eine echte Pflückmaschine, die heute noch ratternd zum Leben erweckt werden kann – für Pinzl und sein Team ist es trotzdem nicht ganz einfach, den Hopfen in all seiner Blüte für die Besucher aufzubereiten.
„Es ist teilweise wirklich schwer, zu dokumentieren. Wir beschäftigen uns mit Zeiten die noch gar nicht so lange her sind. Aber letztlich sind wir stark auf Augenzeugenberichte angewiesen, um das machen zu können“, erzählt Pinzl. Im Gespräch merkt man ihm an, wie fasziniert er um die Kultur der Pflanze ist. „Der Hopfen hat die Hallertau schon immer durch schwere Zeiten getragen. Und das auch, weil die Hallertauer ihr Geschäft viel familiärer angehen. Hier steht einfach einer für den anderen ein“ so Pinzl. Während der Unterhaltung erfahre ich auch eine sehr verblüffende Antwort auf die Frage, warum gerade wir Bayern unsere Schulferien im Sommer so spät haben. „Man munkelt, es wäre der Hopfen, der daran schuld ist“, erzählt Pinzl. „Die Kinder haben damals noch mehr auf dem Feld helfen müssen. Deswegen hat man ihre Schulzeit an die Erntezeit angepasst.“
Verantwortung – das Thema des diesjährigen, internationalen Tages des Museums findet man im Deutschen Hopfenmuseum also auf alle Fälle, wenn auch auf eine andere Art, als vermutet. Oder um es mit den Worten von Dr. Christoph Pinzl zu sagen: „Es muss nicht immer alles so hochtrabend sein, um eine Bedeutung zu haben.“ Und es ist wahr. Ein Rundgang durch das deutsche Hopfenmuseum zeigt, was wir den vielen fleißigen Menschen vor uns und deren Umgang mit der grünen Blüte zu verdanken haben.
Museum der Kulturgeschichte der Hand
Mein nächster Halt führt mich zu einem der wohl passioniertesten Sammler in der ganzen Region. Norbert Nemetz hat sich mit Haut und Haar etwas verschrieben, das auf den ersten Blick auch etwas banal erscheint. „Unsere Augen sehen nur Form und Farbe. Um Dinge tatsächlich begreifen zu können, müssen wir sie in die Hand nehmen“, erklärt er mir begeistert. Die Hand – ihre Symbolkraft und vor allem ihre evolutionäre Entwicklung haben uns das Leben ermöglicht, das wir heute führen. „Ein Pianist macht bis zu 40 Stellungswechsel in der Sekunde“, so Nemetz. Mehr als irgendwo anders findet man bei der Ausstellung um die Hand das Thema Verantwortung, die stets im Subtext mit schwingt. Sie kann als Werkzeug Macht und Gewalt, aber gleichzeitig auch Liebe und Zuneigung ausdrücken.
Sie hat ihren festen Platz in politischen Bewegungen wie dem Sozialismus oder im Brauchtum mit der Neidfaust. Nur ein Drittel seiner tatsächlichen Sammlung stellt Nemetz dem Publikum zur Verfügung, für mehr reicht einfach der Platz nicht. Das Beeindruckende: Zu jedem Exponat weiß er eine Geschichte zu erzählen die fasziniert und einem noch lange Zeit nach dem Besuch durch die Gedanken geistert. Besonders, als wir im Raum mit seinen Kunststücken angekommen sind, scheint Nemetz so richtig aufzublühen. Voll Stolz zeigt er mir einen echten Picasso oder ein Werk von Paul Weber. Das Bild, dass den Tod auf dem Schlachtfeld thematisiert, hat auch bei Nemetz für ein bleibendes Erlebnis gesorgt: „Ein älterer Herr war mal mit einem Stuhl eine ganz lange Zeit ganz vertieft davor gesessen. Da hat man gemerkt, was diese Kunst für eine Macht ausüben kann“, meinte Nemetz. Aber nicht nur die Hand wird mit Nemetz zum Thema. Hat man das Glück, nach einem Streifgang durch seine Räume noch etwas von seiner Zeit zu erhaschen, wird aus einem Museumsbesuch ganz schnell ein Pakt, die Welt endlich zu einem besseren Ort zu machen.
Kelten und Römer Museum Manching
Das Museum ist schon von außen eine echte Augenweide. Gelegen inmitten der Manchinger Natur, umgeben von Bachläufen und weiten Wiesen aber trotzdem keine fünf Minuten Fußmarsch vom Ortskern entfernt. Ich treffe mich dort mit Maria Meßmer. Sie ist dort Archäologin und kann einiges über unsere Vorfahren erzählen. Unter anderem weiß sie auch eine Antwort auf die Frage, warum wir uns ausgerechnet mit so lang vergangenen Zeiten wie der der Kelten und Römer beschäftigen sollen. „Es gibt da so einen Spruch: Man weiß nur, wohin man gehen soll, wenn man weiß, woher man kommt“. Ein Gang durch das elegante Bauwerk beweist, was für ein wichtiger Raum diese Gegend schon vor Jahrtausenden war. „Wir leben nicht in einem anonymen Ort“, meint Meßmer. Und das ist auch das Museum nicht. Es ist echte Geschichte zum anfassen.
Das weiß auch Manfred Ettenhuber. Ihn und seine Oberstimmer Schulklasse treffe ich an, als sie gerade mit größter Faszination alte Schädelfragmente und deformierte Knochen begutachten. „Die Geschichte von Manching steht bei uns selbstverständlich auf dem Lehrplan. Das ist viel anschaulicher und interessanter Unterricht, als im Klassenzimmer“, erklärt er mir. Lernen konnte auch ich noch eine Menge. Wer weiß schon, dass bereits die Kelten vor 2000 Jahren erfolgreiche Operationen am Gehirn von Menschen durchgeführt haben? Die Überreste und Beweise findet man eben heute noch in Manching, unter anderem sind das Maria Meßmers Lieblingsexponate. Doch auch der Goldschatz hat es der Archäologin angetan. „So viel Gold ist immer schön“, schmunzelt sie. Dabei schlägt ihr Herz eigentlich für die Römer. „Die Tatsache, wie die damals schon Räume erschließen konnten und Kanalsysteme konzepieren konnten, ist wirklich beeindruckend. Und ihre Riesenbauten, egal ob in Trier oder Südafrika“, schwärmt Meßmer.
Zum Internationalen Tag des Museums haben sich die Manchinger Betreiber dieses Jahr ein spezielles Programm ausgedacht. Egal, ob ein Rundgang hinter die Kulissen oder eine Radl-Führung durch die Keltenstadt – wer sich auf die Suche nach seinen eigenen Wurzeln begeben möchte, ist dort bestimmt richtig aufgehoben.
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